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AutorenbildGordan Kučan

Modulare, anpassbare Spitäler gestalten mit Building Information Modelling

Die Coronavirus-Pandemie hat fast alle Länder, die meisten Branchen und das globale Wirtschafts- und Gesundheitssystem in die Knie gezwungen. Sie verstärkte viele der bereits vorhandenen Schwachstellen im System, spornte aber auch Kreativität und Innovation, Mitgefühl, Empathie und einige der besten Eigenschaften der Menschheit an, um die Gesundheitskrise zu bekämpfen.


Als Teil der Lösung gegen die Coronakrise hat auch der Architektur-, Ingenieur- und Bausektor (AIB) seine kreativen Kräfte mobilisiert, um das Gesundheitswesen mit dringend benötigten Spitalkapazitäten mit sauberen und sterilen Räumen zu unterstützen, in denen Patient:innen lebensrettende Behandlungen erhalten können.


Die schnelle Reaktion der Baubranche auf COVID-19

Obwohl der Impuls, zur Bekämpfung der Pandemie beizutragen, unter Architekt:innen und Ingenieur:innen weit verbreitet ist, variieren ihre kreativen Lösungen in Bezug auf Dauerhaftigkeit, Geschwindigkeit sowie Kosten der Planung und des Baus neuer Spitalkapazitäten erheblich.


In Anbetracht des unvorhergesehenen Charakters der Pandemie und der Heftigkeit, mit der sie über die Welt hereinbrach, konzentrierte sich die Baubranche anfangs vor allem darauf, rasch zusätzliche Intensivpflegekapazitäten zu schaffen. Daher wurde in zahlreichen Entwürfen die Einrichtung und der Bau von alternativen Pflegeeinrichtungen (APE) vorgeschlagen. Lam et. al. (2006) bezeichnen APE allgemein als «Räume, die für die schnelle Bereitstellung von Krankenhauskapazitäten konzipiert sind, die für die erfolgreiche Bekämpfung von Pandemiekrisen von zentraler Bedeutung sind». Sie umfassen temporäre Lösungen wie militärische Feldlazarette in zeltartigen Strukturen, temporäre modulare Strukturen, die aus umgestalteten Schiffscontainern gebaut werden, sowie bestehende Gebäude wie Hotels, Kongresszentren und Stadien, die in temporäre Gesundheitseinrichtungen umgewandelt werden (Hercules et. al., 2020). Aufgrund ihrer zeitlich begrenzten und schnellen Errichtung eignen sich APE für die Triage von Patient:innen, die vorläufige Behandlung von Menschen mit leichten Symptomen sowie den Aufenthalt gesunder Menschen, die vom infizierten Teil der Bevölkerung isoliert werden müssen (Lam et. al., 2006).

Ein temporäres Spitalzelt mit sichtbaren Lüftungsinstallationen auf dem Vorplatz eines Spitalsin Macau
Ein temporäres Spitalzelt in Macau (Macau Photo Agency auf Unsplash)

Um funktional zu sein, benötigen diese Strukturen jedoch auch spezielle technische Ausrüstungen, elektrische Notfalleinrichtungen, geschultes Personal sowie hochqualifizierte Ingenieur:innen und Planer:innen, die sicherstellen können, dass die APE den höchsten Gesundheits- und Sicherheitsstandards entsprechen (Lam et. al., 2006). Wenn APE nicht ordnungsgemäss geplant und gebaut werden, können sie zu gefährlichen Hotspots für die Ausbreitung der Krankheit werden und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Sobald die Pandemie erfolgreich bekämpft ist und das Leben wieder seinen normalen Lauf nimmt, werden diese provisorischen Einrichtungen überflüssig und sind für eine langfristige Nutzung nicht geeignet, wie verschiedene Regulierungsbehörden – darunter die Weltgesundheitsorganisation – berichten. Die in ihre Errichtung investierten Materialien und Ausrüstungen sind dann entweder unwiederbringlich verloren und werden entsorgt oder sie stellen eine große finanzielle Belastung dar, die es zu erhalten gilt, bis ein künftiger Bedarf entsteht.


Der weit verbreitete Einsatz von provisorischen und vorgefertigten Einrichtungen während der Pandemie machte jedoch deutlich, dass ein flexibleres und anpassungsfähigeres Spitaldesign erforderlich ist. Indem die Infrastruktur des Gesundheitswesens leichter an die aktuellen Anforderungen angepasst werden kann, lassen sich Sunk Costs in Form von APE und veralteten Einrichtungen vermeiden.


Langfristige Perspektive für eine flexible und widerstandsfähige Infrastruktur im Gesundheitswesen

Während die Welt lernt, mit dem Coronavirus zu leben, haben Architekt:innen und Ingenieur:innen damit begonnen, Lösungen für die langfristige Flexibilität und Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur des Gesundheitswesens zu entwickeln, um sich auf die potentielle nächste Pandemie sowie auf die immer komplexeren Behandlungen vorzubereiten, die mit der stetig älter werdenden Weltbevölkerung einhergehen.


Das Konzept der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur ist jedoch nicht neu. Bereits in den 1960er-Jahren begannen Architekt:innen und Ingenieur:innen zu erkennen, dass sich die funktionalen Anforderungen an die Infrastruktur innerhalb der 50-jährigen Lebensdauer eines typischen Spitalgebäudes mehrfach ändern (Carthey et. al., 2010). Diese Veränderung der Anforderungen ist in erster Linie auf die demografische Entwicklung, Innovationen in der Medizin, verbesserte Behandlungen sowie die Rationalisierung der Spitalbudgets zurückzuführen (Olsson et. al., 2010). In den 1970er-Jahren behandelten Spitäler beispielsweise noch eine grosse Zahl an Patient:innen mit Infektionskrankheiten, die seither dank Impfungen und Hygiene ausgerottet wurden. Umgekehrt war die Krebsbehandlung weniger weit verbreitet und anspruchsvoll. Was den Platzbedarf anbelangt, so waren MRIs gerade erst erfunden worden.

Ein CT-Scanner
Spitalbauten bestehen aus viel mehr als nur Patientenzimmern

Folglich müssen unsere Krankenhäuser angesichts des immer schnelleren Wandels in den Bereichen Technologie, Demografie und Umwelt immer flexibler sein, wie die Corona-Pandemie und der damit verbundene rapide Anstieg der Nachfrage nach Intensivpflegeeinrichtungen weltweit anschaulich gezeigt hat. Daher war die Baubranche noch nie so sehr gefordert und bereit, sich näher mit den Technologien und Innovationen zu befassen, die für die langfristige Widerstandsfähigkeit und Flexibilität der Gesundheitsinfrastruktur entscheidend sind.


Seit ihren Anfängen war die Idee flexibler Spitäler eng mit der Entwicklung neuer Konstruktionslösungen verbunden, die von der Konstruktion von Zwischenböden über die Vorfertigung von Gebäudelementen bis hin zur volumetrischen 3D-Modulbauweise ganzer Abteilungen und Zimmer reichten (Krystallis et. al., 2012). Allerdings waren viele dieser Technologien und die unterstützenden Marktökosysteme bis vor Kurzem noch nicht ausreichend entwickelt. Daher behinderten bis anhin die hohen Erstinvestitionen, fehlende Gestaltungsfreiheit, stagnierende Innovation sowie gesetzliche Rahmenbedingen die Markteinführung flexibler und modularer Spitäler (Olsson et. al., 2010).


Wie das McKinsey Global Institute in seiner Bewertung des modularen Bausektors für 2019 berichtet, haben die jüngsten Entwicklungen digitaler Technologien und Planungsmethoden (z.B. BIM), der Robotik und der integrativen digitalen Fertigungslogistik jedoch eine neue Ära des effizienten und nachhaltigen modularen Designs und Baus eingeleitet. Aufseiten der Kund:innen führte das wachsende Bewusstsein der für die langfristigen wirtschaftlichen und umweltverträglichen Vorteile dieser Systeme für die gebaute Infrastruktur zu einer steigenden Nachfrage. Dementsprechend kann die Corona-Pandemie nur als positiver Katalysator dienen, um die Notwendigkeit der langfristigen Planung, Investition und Entwicklung einer widerstandsfähigen und flexiblen Spitalinfrastruktur mit der Innovation modularer, anpassungsfähiger Design- und Bautechnologien zu unterstreichen.


Modulares und anpassungsfähiges Spitaldesign digital planen

Wie bei vielen langlebigen Infrastrukturen stützt sich die Planung von Spitalbauten immer noch auf eine Mischung aus analoger und digitaler Methodik, da viele bestehende Strukturen lange vor dem Aufkommen digitaler Mittel geplant und gebaut wurden. Die Erfahrung in anderen Bereichen hat gezeigt, dass für die Digitalisierung der Planung in solch komplexen Bereichen entweder eigens entwickelte oder zumindest stark angepasste Werkzeuge notwendig sind.

Zwei Ingenieur:innen in Schutzausrüstung betrachten Pläne und Daten auf mehreren Bildschirmen
Auch wenn neue Bauten digital geplant werden, besteht noch viel Nachholbedarf bei der Digitalisierung bestehender Pläne und Dokumentationen

Das Verfahren zur Einführung eines digitalen Planungswerkzeugs in die Spitalplanung lässt sich in vier Schritten zusammenfassen:

  1. Als erstes braucht es Fallstudien von passenden, repräsentativen Spitälern. Die Auswahl der zu analysierenden Krankenhäuser sollte sich auf neuere Beispiele konzentrieren, bei denen die Grundsätze der Anpassungsfähigkeit ein primäres Planungsziel waren. Projekte, die mit vorgefertigten und modularen Technologien gebaut wurden, sind dafür besonders interessant. Diese Analyse ermöglicht einen detaillierten Ausblick auf die erforderlichen Verfahren geben, um die analysierten Spitäler umzugestalten und sie mit den Prinzipien und Technologien des modularen und anpassungsfähigen Designs kompatibel zu machen.

  2. Aus den Fallstudien lassen sich Indikatoren ableiten, mit denen die Kompatibilität künftiger Spitalprojekte mit den neuen Designmethoden abzuschätzen. Dafür werden das Rahmenwerk und alle zugrundeliegenden Gesetze, Codes, Richtlinien und Nutzeranforderungen für die modulare, anpassungsfähige Planung in eine Liste einfacher BIM-Regeln übersetzt.

  3. Als nächstes müssen diese BIM-Regeln in maschinenlesbare Sprache übersetzt werden, die mithilfe von BIM-Software überprüft und in das digitale Modell zukünftiger Spitalentwürfe für eine automatisierte Konformitätsprüfung implementiert werden können. Die Übersetzung der in menschlicher Sprache verfassten Regeln in maschinenlesbare Sprache sollte auf der Grundlage des sogenannten Kodifizierungsprozesses erfolgen, der eine Reihe praktikabler Lösungen bietet – einschliesslich der kommerziell verfügbaren automatisierten Regelmaschinen (Alnaggar & Papadonikolaki, 2019).

  4. Schliesslich kann das BIM-Tool bei der Planung künftiger Spitäler und der Erstellung der entsprechenden digitalen Modelle iterativ in allen Planungsphasen zur Überprüfung der Konformität verwendet werden. Die Rückmeldung von Fachleuten (Planer:innen, Architekt:innen und Ingenieur:innen) sowie Spitalnutzenden (Eigentümer:innen, Gesundheitsangestellte und Patient:innen) dienen dazu, die Planungsergebnisse und die langfristige Funktionalität des digitalen Tools zu verbessern.

Schon vor der Coronavirus-Pandemie wurde erwartet, dass neue, modulare Bautechnologien weltweit eine Innovationswelle im Bereich des Designs flexibler Spitäler auslösen würden, die bis 2030 in den USA und Europa zu jährlichen Einsparungen von über einer Milliarde US-Dollar beim Bau neuer Krankenhäuser führen könnte (McKinsey, 2019). Darüber hinaus sind modulare, anpassungsfähige Technologien in der Lage, die Projektabwicklung um bis zu 50 Prozent zu beschleunigen (McKinsey, 2019), was sich als entscheidend für künftige Reaktionen auf Pandemien und andere Naturkatastrophen, aber noch wichtiger für den regulären Betrieb von Krankenhäusern erweisen kann.


Darüber hinaus erweist sich die überlegene Qualität von Räumen, die für langfristige Flexibilität und Widerstandsfähigkeit gebaut wurden, jedes Mal, wenn ein Umbau für die Einführung neuer digitaler oder robotergestützter Technologien in Spitälern erforderlich ist (Messner et. al., 2017). Einrichtungen, die mit modularen anpassungsfähigen Technologien gebaut wurden, können neu konfiguriert werden, um optimale Prozessabläufe zu erreichen – mit minimaler Unterbrechung des regulären Spitalbetriebs aufgrund von umbaubedingtem Lärm, Staub oder Vibrationen und unter Einhaltung eines maximalen Niveaus an Gesundheit und Sterilität während der Bauarbeiten (Kamali & Kasun, 2016). Schliesslich ermöglichen modulare, anpassungsfähige Technologien den Entwurf und die Planung nachhaltiger Lebenszyklen der Spitalinfrastruktur mit einer Minimierung der Bauabfälle vor Ort, Recycling und Wiederverwendung von Materialien innerhalb eines Ökosystems der Kreislaufwirtschaft (Salama et. al., 2017).

Ein Kran hebt ein vorgefertigtes Element auf ein bestehendes Gebäude
Eine Visualisierung von modularem Design mit vorfabrizierten Elementen (Skender Construction)

Die durchlebte Pandemie hat das Durchhaltevermögen der Menschheit auf die Probe gestellt. Gleichzeitig war sie eine Aufforderung, unsere Gesundheitssysteme für zukünftige Herausforderungen zu verbessern. Nun stehen spannende Zeiten bevor, in denen wir neue Technologien und digitale Prozesse entwickeln, um die Vorteile von modularem, anpassungsfähigen Design und Bau zu maximieren und ein nachhaltiges System mit wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus der zukünftigen Gesundheitsinfrastruktur zu schaffen. Wie Albert Einstein sagte: «Mitten in der Schwierigkeit liegt die Chance». Jetzt liegt es an uns allen, auf diese bessere Zukunft hinzuarbeiten.


Dieser Artikel erschien zuerst auf der mittlerweile eingestellten internationalen Version des Renggli-Blogs.


Headerbild: Daniel McCullough via Unsplash


Quellen

Al-Hussein, M., Moselhia, O., Salahb, A. & Salama, T. (2017). Near optimum selection of module configuration for efficient modular construction. Concordia University, Montreal, Canada.


Anumba, C.J., Messner, J.I. & Mohammadopur, A. (2017). "Retrofitting of healthcare facilities: case study approach." Journal of Architectural Engineering Vol.23, Nr. 3.


Austin, S. & Schmidt, R. III. (2016). Adaptable Architecture—theory and practice. Routledge, Taylor & Francis Group. New York, NY.


Bertram, N., Fuchs, S., Mischke, J., Palter, R., Strube, G. & Woetzel, J. (2019). "Modular construction: From projects to products." www.mckinsey.com.


Carthey, J., Chow, V., Jung, Y-M. & Mills, S. (2010). "Achieving Flexible & Adaptable Healthcare Facilities—findings from a systematic literature review." Proceedings of the 3rd HaCIRIC International Conference 2010: Better Healthcare Through Better Infrastructure, 22nd-24th September 2010, Edinburgh, Scotland, S. 104-18.


Hercules, W. J., Anderson, D. & Sansom, M. (24. März 2020). "Architecture Is a Critical Ingredient of Pandemic Medicine: An open letter to policymakers on the essential role of architecture in addressing human health and health care facility design during the coronavirus COVID-19 outbreak and for future crises." www.architectmagazine.com, aufgerufen am 19. April 2020.


Kamali, M. & Kasun, H. (2016). "Life cycle performance of modular buildings: A critical review." Renewable and Sustainable Energy Reviews Vol. 62, No. C, S. 1171-83.


Krystallis, I., Demian, P., Price, A. (2012). "Design of flexible and adaptable healthcare buildings of the future: a BIM approach." Proceedings of the First UK Academic Conference on BIM, Newcastle Business School & School of Law Building, Northumbria University, 5-7 September 2012, S. 222-32.


Lam, C., Waldhorn, R., Toner, E., Inglesby, T. V. & O’Toole, T. (2006). "The Prospect of Using Alternative Medical Care Facilities in an Influenza Pandemic." Biosecurity and Bioterrorism: Biodefense Strategy, Practice, and Science Vol. 4, No. 4, 2006.


Olsson, N. O. E. & Hansen, G. K. (2010). "Identification of Critical Factors Affecting Flexibility in Hospital Construction Projects." HERD: Health Environments Research & Design Journal Vol. 3, No. 2, S. 30-47.


Ulrich, R. S., Zimring, C., Zhu, X., DuBose, J., Seo, H.-B., Choi, Y.-S., Quan, X. & Joseph, A. (2008). "A Review of the Research Literature on Evidence-Based Healthcare Design." HERD: Health Environments Research & Design Journal Vol. 1, No. 3, S. 61-125.


Van Khai, T. (2016). "Adaptive Architecture and the Prevention of Infections in Hospitals. Transactions of the VŠB – Technical University of Ostrava." Civil Engineering Series Vol. 16, No. 2, 2016. Paper 28.

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